Der Golfclub Hubbelrath vereint Sport und Naturschutz. Auf seinem Areal wurden 140.000 Bäume und Büsche gepflanzt.
Am östlichsten Zipfel der Stadt blüht Düsseldorf noch mal richtig auf. Für Golfspieler muss dieses sanft geschwungene Idyll ein Traumplatz sein. Für den bedrohten Kammmolch auch. Und erst recht für den Eisvogel, die Schleiereule, den Dachs und ein paar tausend Insektenarten. Sie alle leben in friedlicher Nachbarschaft zum sportlich ambitionierten Menschen. Denn der Golfclub Hubbelrath gilt bundesweit als Pionier: Der amtierende Deutsche Meister pflegt die Kunst des Spagats, den Sport mit der Natur zu versöhnen. Das heißt erst mal: Teilen. 50 Prozent exakt geschorene Flächen, auf denen die Grashalme für den Golf strammstehen, 50 Prozent Flora und Fauna der wilden Art. Grüner geht’s nicht.
Dieses Stück Naturgeschichte besteht aus vielen Kapiteln. Das erste wurde vor über 50 Jahren geschrieben, als die Verwandlung einer riesigen, öden Ackerfläche begann. Auf alten Luftaufnahmen ist zu sehen, dass damals kaum ein Baum die Felder überragte, bis auf ein kleines Wäldchen mit über 100 Jahre alten Buchen – ein Düsseldorfer Naturdenkmal. Exakt dort steht jetzt Gerd W. Thörner, rückt den zerbeulten Strohhut zurecht und blickt in die Ferne. Was ihm nicht schwer fällt, denn er steht am höchsten Punkt Düsseldorfs, exakt 166 Meter über dem fernen Meeresspiegel. Die Luft ist klar und frisch, „hier ist es immer ein paar Grad kühler als in der Stadt“. Der 73-Jährige ist Mitglied des Golfclubs seit Studententagen, war lange im Vorstand, wurde dann zum Ehrenmitglied ernannt – mit gutem Grund. Denn Thörner ist der Mann fürs Grüne.
Er ist einer, der in Kindertagen Gräser zwischen Buchseiten presste, der eigentlich Biologie studieren wollte, sich dann doch für Medizin entschied und erfolgreicher Neurologe wurde. Während all dieser Jahre blieb die Natur sein Lebensthema. Und der Golfclub Hubbelrath eine Art Experimentierfeld: „Wir haben hier 140.000 Bäume und Büsche gepflanzt.“ Beeindruckende Zahlen, sichtbare Ergebnisse. Von der Clubhausterrasse, auf der gerade einem Tisch mit fröhlicher Golfjugend Sülze mit Bratkartoffeln serviert wird, schweift der Blick weit über eine Wäldchen-Teich-Wiesen- Landschaft – die komplette Grünpalette wie aus dem Tuschkasten, dazwischen bunte Tupfer: reife Pflaumen, Wildblumen. Wer bisher glaubte, Golfclubs seien Orte, an denen der ökologische Wildwuchs kein Platzrecht hat, kann nun getrost eine Übung gegen Vorurteile einlegen.
Oder Experten fragen. „Der Golfplatz Hubbelrath ist das artenreichste Biotop der Stadt“, bestätigt Tobias Krause, Experte für den Artenschutz beim Gartenamt und von Berufs wegen häufig auf dem Gelände unterwegs. Soeben sieht er ziemlich glücklich aus, was daran liegt, dass er ein Blutströpfchen fotografiert fotografiert hat, einen Schmetterling mit roten Punkten auf den blauen Flügeln. „Sehr selten.“ Aber woher weiß er, wie viele Exemplare einer Art auf diesem Gelände leben, das größer ist als 150 Fußballplätze? Und überhaupt: Wie zählt man Falter?
„Nun, es gibt heute ganz andere Methoden als noch vor 30 Jahren“, so Krause. Da werden männliche Schmetterlinge mit den Duftstoffen der Weibchen (im Labor gemixt, trotzdem wirksam) angelockt. „Sind in einer Stunde 20 Exemplare sichtbar, lässt sich das hochrechnen.“ Andere Insekten reagieren buchstäblich wie Motten aufs Licht und umschwirren nachts UV-Lampen. Und Käfer lassen sich mit einem grünen Punkt auf ihrem Panzer markieren – und zählen. Der Rest ist Schätzung.
Auch der Naturschutzbund NRW lobt den Club als „ökologische Vorzeigeanlage“ mit einer deutlich höheren Artenvielfalt als in der ländlichen Umgebung. 18 Pflanzen, die auf der „Roten Liste“ stehen und vom Aussterben bedroht sind, gedeihen hier fern jeder menschlichen Bedrohung. Kein Rasenmäher (mit Solarenergie betrieben) kommt ihnen zu nahe, und selbst die Golfcarts – für Spieler, die lieber fahren statt laufen – sollen bald mit eingebautem Naturschutz ausgestattet sein. „Sie werden per Satellitenortung auf Biotopschutz programmiert. Wenn sie einem ökologisch sensiblen Bereich zu nahekommen, funktioniert plötzlich nur noch der Rückwärtsgang.“ So klingt Zukunft. Nun eilt Thörner voraus zu Spielbahn 7 – einer Rarität im doppelten Sinne. Der Champions-Abschlag gilt selbst unter Weltklassespielern als Herausforderung, denn der Ball muss es durch eine Baumschlucht und über zwei Teiche schaffen – 180 Meter mit einem Schlag. Zuschauen könnte dabei der Dachs, der im Unterholz seinen Bau gegraben hat. Oder die Nilgans, die gerade ihre Jungen über das Grün führt. Jenseits der Teiche, über denen Libellen tanzen, hat in der Steilwand der Eisvogel sein Nest gebaut. Unter der grünen Pampe auf der Wasseroberfläche findet er Leckerbissen: Fische wie Rotauge und Moderlieschen.
Während ein Mäusebussard-Paar in der sanften Nachmittagsluft kreist, überquert Thörner gerade den idyllischen Hasselbach („der war früher unterirdisch in einer Betonröhre, haben wir wieder frei gelegt und renaturiert“), deutet auf Nistkästen in Tarnfarben für die Schleiereule – für den scharfen Vogelblick leicht zu erkennen – und steuert schließlich die Streuobstwiesen an („werden überall immer rarer“), deren 350 Bäume von clubeigenen Bienen bestäubt werden. Seltene Früchtchen wie „Die Schöne aus Nordhausen“ gedeihen hier. Gerätschaften, die das Pflücken erleichtern, stehen überall bereit – zum Glück der Golfspieler.
Während Thörner wieder das Clubhaus ansteuert, wandert sein prüfender Blick immer wieder in die Baumkronen der Eichen, Buchen, Linden, Trauerweiden – ausschließlich heimische Gewächse. „Das ist enorm wichtig, von einer heimischen Eiche können tausende Insekten und Käfer leben, aber eine amerikanische Roteiche würden sie verschmähen.“ Der Mann ist ein wandelndes Botanikbuch und beklagt, dass das Wissen um die Natur immer mehr verloren geht, dass kaum noch jemand Vögel, Bäume, Pilze unterscheiden und beim Namen nennen kann. Die Folge: „Wer keine Ahnung hat, macht Fehler.“ Und pflanzt dann einen Kirschlorbeer als Hecke, statt Weißdorn. „Dabei fliegen Insekten auf Weißdorn, Kirschlorbeer ist dagegen für sie völlig uninteressant.
Der Nachmittag im Grünen neigt sich, schon fast am Parkplatz muss Tobias Krause noch ganz schnell die Geschichte von den Ringelnattern erzählen. Auch die schlängeln sich jetzt immer öfter übers Gelände. Zum Schrecken der Golfspieler? „Nein alle wissen, dass sie harmlos sind.“ Zur Freude der Naturschützer. Denn die Existenz der Nattern ist ein sicheres Indiz dafür, dass zahlreiche Grasfrösche rund um die Teiche leben. Man ahnt schon, was jetzt kommt: „Nirgendwo sonst in Düsseldorf gibt es so viele Exemplare wie hier“, ruft Thörner uns zum Abschied hinterher, während er vor dem Clubhaus unter einer prächtig gewachsenen Linde steht. Er hat sie eigenhändig vor 35 Jahren gepflanzt. Wer sonst?
Rheinische Post
von Ute Rasch (Text)
und Andreas Bretz (Fotos)